Mittwoch, 10. Februar 2016

Leben im sowohl als auch – die Hybrid Generation

In meinem Job bekomme ich regelmäßig immer wieder folgende Frage gestellt: Lieber Online? Oder besser doch Print? Die Antwort darauf ist gar nicht so einfach, denn während die vermeintlich reiferen Erdenbürger immer noch mit ihrer nach Druckerschwärze riechenden Sonntagszeitung am Frühstückstisch dem duftenden Kaffee Konkurrenz machen und das Blättchen dazu fortlaufend mit Erdbeermarmeladen- und ebensolchen Kaffeeflecken garnieren, schaut sich der digitale Mainstream stattdessen die Tagesschau in 100 Sekunden an, zieht mit Butter verschmierten Fettfingern über die Displays von Smartphones und Tablets und schlürft nebenbei an ihren grünen Smoothies. Wie analog-altertümlich sagen die Einen und wie digital-nervig hört man von den Anderen.

Bildquelle: port01.com



Dasselbe Ziel mit ungleichen Mitteln

Gerade erst hatte ich eine Unterhaltung mit einer Kollegin zu diesem Thema. Sie selbst mag es in Buchhandlungen zu schmökern und es sich dann - nach reifer Entscheidung für einen der dicken Wälzer - voller Vorfreude gemütlich mit einer Tasse grünem Tee und dem neu erworbenem Roman in Hartkopie Zuhause auf der Couch gemütlich zu machen. Ihr Mann hingegen liest ausschließlich digitale Bücher auf seinem Tablet, die er sich in Sekunden schnelle herunterlädt und daraufhin mit dem Finger seiner Wahl wischend oder tippend in wiederum Stunden verschlingt. Die Kollegin wollte ihrem Mann ein Buch zum bevorstehenden Valentinstag schenken, von dem sie sicher war, dass er es richtig super finden würde. Aber da er nur digitale Bücher liest, hätte sie ihm ja einen Downloadlink oder schrecklicher noch - einen Gutschein - schenken müssen. Das fand sie doof. Denn bei Valentinstaggeschenken soll ja auch immer ein Hauch Romantik mitschwingen, meinte sie. Irgendwie verständlich fand ich. Und nun?

Bildquelle: service.sueddeutsche.de


Das Weltbeste oder Nichts

Es gibt sie natürlich noch, die Hardliner unter uns, die ganz klar ihre eigene Linie fahren. Digital. Oder eben analog. Voller Fleischeslust oder vegetarisch. Aber nie beides. Oder noch eine moderne Spur konsequenter: vegan. Ein bisschen beneide ich diese Menschen ja um ihre Lebenskonsequenz, um sie gleich danach aber auch schon wieder zu bemitleiden. Denn während also die Einen auf das Eine oder das Andere schwören und damit das jeweils Gegenteilige verpassen, lebe ich stattdessen einfach das Leben meiner Hybrid Generation. Und ich spreche hier nicht von Automobilen, sondern von einer inneren Lebenseinstellung. Wir wollen eben das Beste aus beiden Welten. Wir wollen nicht dies oder jenes. Wir wollen beides. Wir wollen das sowohl als auch. Wir wollen dicke SUVs fahren, obwohl wir lediglich im Großstadtdschungel Zuhause sind und sich die eigenen botanischen Fertigkeiten auf das Urban Gardening von diversen Kräutern auf dem heimischen Balkon beschränken. Wir wollen Berge und Meer und das möglichst gleichzeitig. Und jetzt kommt mir ja nicht mit einem Bergsee. Das ist keine Alternative. Also geht es im großen Sommerurlaub vor dem Langstreckenflug auf die einsame Insel mit dem kristallklaren Wasser und einem schier nie enden wollenden Wellnesserlebnis vorher erst noch mit dem Fahrrad zur alpinen Bergwanderung mit Blasengarantie, um die eigene Ökobilanz wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

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Ist schmöddeln schlecht?

Vor ein paar Wochen habe ich mir eine neue digitale Spiegelreflexkamera gekauft. Ich war, wie es sich gehört, im Fachhandel und habe mir einige Kameras ganz genau angesehen. Ich habe deren Wertigkeiten begutachtet, mit den Knöpfen gespielt, Objektivvarianten und Einstellungen getestet und mich dann für ein Kameramodell entschieden. Um sie gleich danach einem Online-Preisvergleich im Internet zu unterziehen und mir vom günstigsten Anbieter direkt nach Hause schicken zu lassen, nachdem ich vorher noch ein paar Online-Bewertungen eifrig kommentierender Hobbyfotografen gelesen hatte, um auch wirklich eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Umgekehrt kommt es aber auch vor, dass ich online nach neuen Büchern forsche (ich nenne das schmöddeln, eine Mischung aus schmökern und daddeln), Klappentexte und Rezensionen lese, um sie mir dann aber im Buchhandel zu kaufen, weil ich Buchhandlungen so gerne mag. Okay ich gebe es zu: Und weil ich gern ein Teil dieser imaginär-intellektuellen Welt sein möchte. Verarsche ich mich selbst? Bin ich nur ein Opfer meiner eigenen Hybrid Generation? Oder ist es okay so, wie ich lebe?

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Sowohl als auch

Nun frage ich mich als reflektierter Verbraucher natürlich, ob es denn schlecht ist, ständig nach dem sowohl als auch zu leben. Na logo sollte man die kleinen, örtlichen Buchhandlungen unterstützen und Onlineportalen nicht so viel Macht verleihen. Selbstredend braucht man in einer Großstadt keinen höher gelegten SUV mit Allradantrieb, um zum nächsten Discounter zu fahren, sieht man mal von den ganzen Baustellen und Schlaglöchern auf deutschen Straßen ab. Und trotzdem finde ich, habe ich ein Recht auf das sowohl als auch. Schon Friedrich der Große sagte: „Jeder soll nach seiner eigene Fasson selig werden.“ Ich sehe das genauso.

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Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Nun aber zurück zur Frage: Print? Oder besser doch Online? Die Antwort darauf ist also ziemlich einfach. Print UND Online. Zumindest aus heutiger Sicht der Hybrid Generation. Wir ergänzen Erstinteresse aus Printmedien mit der Information aus Onlinemedien. Umgekehrt werden wir vielleicht Online auf etwas aufmerksam, wollen aber im sicheren Zuhause auf der heimeligen Couch auch noch einmal etwas seriös gedrucktes in den Händen halten, um unsere mögliche Investition mental zu untermauern. Je nach Alter, Interesse oder Zielgruppe variiert hier die Grenze zwischen den beiden Informationswelten. Das Eine kommt aber derzeit ohne das Andere noch nicht so ganz aus, sieht man mal vielleicht von rein digitalen Produkten und/oder Dienstleistungen ab. Wenn ich mir meine 4 jährige Nichte so ansehe, die jetzt schon schneller mit dem Smartphone zurecht kommt als ich, dann wage ich allerdings vorauszusagen, dass digitale Herangehensweisen eine immer größer werdende Rolle in unserem Leben spielen werden. Grenzen verschwimmen noch extremer. Ich finde das spannend. Aber heute wollen wir eben noch beides. Ob es Print irgendwann gar nicht mehr geben wird? Vielleicht. Aber vielleicht bleibt es auch beim sowohl als auch. Zumindest solange es uns gibt, die Hybrid Generation.

Life is good. True story.
Euer Dominik

PS: Eines ist damit aber immer noch nicht geklärt: Das Valentinstaggeschenk meiner Kollegin. Was würdet ihr also meiner Kollegin raten? Schreibt es doch einfach in die Kommentare.



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